Die Schilderung eines Spieltages aus der Sicht eines Sechsjährigen bietet sicher Grund zum Schmunzeln. - So Mancher, ob Trainer, Betreuer oder Elternteil, wird sich darin wiederfinden und vielleicht sogar ins Grübeln geraten. Denn es besteht auch ein ernsthafter Hintergrund. Der DFB empfiehlt bereits seit Jahren, im F- und G-Juniorenbereich keine Punktspiele stattfinden und Meister ermitteln zu lassen. Warum das so ist, zeigt auch die nachfolgende kleine Geschichte über Janni. Eines lässt sich aber bereits vorab festhalten: Die spielerischen Momente und der Spaß sollten im Kinderbereich im Vordergrund stehen, nicht der Erfolgsdruck, der dann zwangsläufig entsteht, wenn Siege wichtig sind ...
Janni ist gerade sechs Jahre alt geworden. Sein Hobby ist der Fußball - am liebsten würde er von morgens bis abends kicken. Mama wird das aber zuviel. Denn für die Schule gibt es auch genug zu tun.
Am kommenden Wochenende soll der erste Spieltag stattfinden. "Irgendwie ist Papa heute anders, nicht so locker wie sonst", spürt Janni beim letzten Training. "Er redet von Aufstellung, Taktik, von Verteidigern und Angreifern. Und Alex, mein bester Freund, darf gar nicht mitspielen, weil nur zehn Kinder dabei sein können. Ich versteh' das nicht, aber wenn der Trainer das sagt, muss es ja stimmen."
Sonntagmorgen: Janni ist ziemlich aufgeregt. Essen mag er nichts, trinken - na gut, wenn's unbedingt sein muss.
Endlich geht es los. Papa fährt viel zu schnell Ist wohl auch etwas aufgeregt. "Haben wir die Pässe mit, alle Trikots eingepackt? Wo ist denn bloß diese blöde Halle? Sind alle Kinder da? Wo ist denn jetzt der Ball?" Janni findet, dass der Vater ganz schön hektisch ist: "Ist doch nur ein Spiel", versucht er, ihn zu beruhigen. "Ja, klar - aber das wollen wir doch gewinnen", dröhnt es in sein Ohr. - Das war Micha, der Betreuer seiner Mannschaft.
Auf der Tribüne stehen ganz viele Zuschauer. Opa ist da, Mama auch. "Muss doch ganz schön wichtig sein", denkt sich Janni.
Ein Spiel läuft schon - was für ein Krach. Alle schreien wild durcheinander, die Trainer, die vielen Leute, die Betreuer - und einer pfeift andauernd.
"Gleich sind wir dran. Papa ruft uns zusammen." - Nur Leo, der Torwart fehlt, isst gerade noch eine Waffel. Papa wird wirklich ungemütlich. "Aber die sind doch wirklich lecker", versucht Janni seinen Kumpel zu verteidigen.
War wohl nicht so gut, Papa wird laut. "Janni, du und Meike, ihr spielt hinten in der Abwehr, Niko, Tobi und Niklas vorne. Eng decken und vorne Druck machen!" Alles klar, denkt Janni. Nur, wen soll er denn abwehren? Den Ball? Der muss doch vorne ins Tor?! Aber er spielt ja hinten. Da darf er wohl nicht nach vorne, oder? Und was bedeutet "Druck machen"? Druck auf wen?
Aber es bleibt keine Zeit mehr, um Fragen zu stellen. Das Spiel geht los. Der Ball ist in der anderen Hälfte. Niko bekommt ihn. Auf der Tribüne schreien alle "Schieß!", der Trainer ruft aber "Spiel!" "Niko kann doch gar nicht mit rechts schießen", murmelt Janni.
Egal, das Spiel läuft weiter. Zwei Jungs aus der anderen Mannschaft kommen auf Janni zu. "Greif an", ruft Papa. Aber wen? Zum Glück stolpert der, der den Ball hat. "Lauf nach vorne", feuert Opa an. "Bleib hinten", fordert der Betreuer. "Ja, was denn nun? Ist das 'ne Hektik hier", stöhnt Janni.
Zweite Halbzeit. Tobi kriegt den Ball gegen die Hand Der Schiedsrichter pfeift. Die Zuschauer schreien: "Hand, Siebenmeter!" "Wieso, das war doch keine Absicht?" "Schiri, bist du blind?" - "Ruhe, da oben, sonst fliegst du raus!"
Auf dem Spielfeld macht Niklas gerade einen Purzelbaum, einer von der anderen Mannschaft übt Handstand.
Janni ist langsam echt genervt. "Warum schreien die denn eigentlich alle so laut?", wundert er sich. Auch sein Papa ist nicht wieder zu erkennen. Er legt sich sogar mit dem anderen Trainer an.
Der Siebenmeter geht daneben. Das Spiel ist kurz danach zu Ende. Aber die EItern sind immer noch ganz aufgeregt. "Warum eigentlich?", fragt sich Janni und überlegt, wie das Spiel überhaupt ausgegangen ist? Egal. Er verdrückt lieber erst einmal eine bunte Tüte - zusammen mit einem von der anderen Mannschaft. "Lecker", sagt der. "Bis zum nächsten Mal", rufen sich die beiden Jungs noch zu.
"Tolles Spiel, Jungs. Gut gekämpft!", sagt Papa. "Wieso Kampf?" - Janni dachte bisher immer: "Fußball ist doch nur ein Spiel!" Das sagt sein Papa sonst auch, jedenfalls im Training.
Beim nächsten Training ist Papa endlich wieder der alte. Und die Eltern sind auch ganz ruhig und viel freundlicher. Wie lange wohl? Bis zum nächsten Spieltag?
Ralf Serra im NFV-Journal, Januar 2005, S.23